COPE
meine wut ist nicht die deine, warum
von Anna Ebert

der schlag könnte ein in der luft schwebendes handausholen ein aufdentischhauen ein zähnefletschen ein wild gewordenes kopfschütteln ein krampfen ein knacken ein ausdenangelnheben ein ausatmen ein insichhineinpulsieren ein markerschütterndes kreischen ein himmelschreiendes schluchzen ein fauchen ein kratzen ein kindliches strampeln ein häuten gewesen sein.

aber er blieb aus.

das schweigen über den schlag verleumdet dass es den schlag überhaupt je gab er wird ausgelöscht durch die stille die folgt durch die ruhe nach dem sturm durch das ausbleiben der angemessenen empörung der wut der heraufbeschwörung des unsagbaren wer entscheidet was gesagt werden darf wer entscheidet was nicht gesagt werden darf wer entscheidet was gesagt werden müsste und verurteilt die schweigenden? der schlag sitzt tief er hat sich hineingegraben in deine körperschichten durch die haut gefressen ist an den venen entlang ins innerste vorgedrungen zersetzt nun mit genüsslicher wollust dein denken bis es ausflockt zum immer gleichen vorwurf an dich selbst und du kriegst den mund nicht auf weil er zugenäht scheint weil es einfach unmöglich ist ihn zu öffnen weil dein kopf sagt es geht nicht du kannst das unsagbare nicht in worte fassen weil dafür noch kein vokabular erfunden wurde die wörter sind unzureichend wie sie es immer waren es gibt die offenen ohren du weißt es die –

wie soll etwas gesagt werden das sich dem einkleiden dem einfassen dem einpressen ins wortgefüge entzieht das unpassend und unsagbar zugleich ist das und das ist das entscheidende nicht gehört werden will?

all die richtenden und weisenden und verantwortlichen lassen sich ihre iuristischen entwürfe aus ihren mit langen haaren vor kaltem luftzug geschützten nasen ziehen da sie selbst die dringlichkeit nicht sehen sehen nicht dass das sprechen über das nichtaussprechbare zur ergreifung des wortes zur sichtbarmachung der leere der erste schritt zur vivisektion des unrechts ist welches da tagtäglich stattfindet das einfach weggeschwiegen wird als ob es damit nicht existiere als ob es keinen interessiere als ob die ausübenden mächte einen verdammten scheiß darauf geben wer in dieser gesellschaft redet und wer in dieser gesellschaft schreit und wer in dieser gesellschaft schweigt weil wir nicht wissen wie darüber reden über den schmerz über die sprachlosigkeit über die tat über das leben danach über deine eigene erfahrung die du gern als vorüber wahrnehmen würdest die im ganzen gesehen so riesig ist dass es ein wunder ist dass sie dich noch nicht völlig innerlich und äußerlich umschlossen hat dass sie dich noch nicht von innen weggeätzt hat dass du trotz allem noch ein ganzer mensch bist optisch.

wir sollten unsere münder weit aufreißen so weit dass wir sie einfach verschlucken wenn sie kommen und wir ihre taten in unserem redefluss auskotzen auf dass kein ohr ruhen kann bis nicht alles gesagt worden ist.


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Anna Ebert (*1996)

hat vorläufig in Jena ausstudiert und widmet sich fortan weiter Text und Bild und Spiel sowie möglichen Symbiosen.



Anna Ebert (*1996)

hat vorläufig in Jena ausstudiert und widmet sich fortan weiter Text und Bild und Spiel sowie möglichen Symbiosen.