COPE
HADID
von Dominik Puhl

Ich sitze mit meinem Nudossi-Toast am Frühstückstisch, vor mir das leuchtende Display. Safari. Ich gebe in die Suchleiste des Browsers ein: Wäsche-, da erscheint schon der Link zur Internetseite –

/badezimmer/waeschekoerbe/hadid-waeschekorb-rattan-in-grau.

70 cm. Rund. Rattan, in Grau, mit Deckel. Ich bin nicht zum ersten Mal hier. »Wer sagt, dass Haushalts-Accessoires langweilig sein müssen? Hadid aus modischem Rattan belehrt uns mit entspanntem Style eines Besseren.« Hadid ist sexy. Hadid ist teuer. Wahrscheinlich so teuer wie der gesamte Inhalt meines aktuellen Wäschebehältnisses FRAKTA. 35 cm. Material: 100 % Polypropylen. Griff: 100 % Polypropylen. Garn: 100 % Polyester. »Auch für Abfalltrennung geeignet«, schreibt IKEA. Wohne ich noch oder lebe ich schon? FRAKTA beherbergt immer lichter werdende Socken, T-Shirts mit gelbkrustigen Schweißrändern unter den Armen und mit Knötchen übersäte Wollpullis. Anstatt in einen Fusselrasierer, investiere ich aber lieber in ein neues Wollprodukt, wieder und wieder. Mit dem neuen Wollprodukt gehe dann sogar ich gerne vor die Tür: in die Bar, in den Club, das fühlt sich schön an, für einen Abend. Manchmal auch für zwei. Dieses Gefühl. Hadid verspricht es auch.

Ich stelle mir vor, wie es wenige Tage später an der Haustür klingelt, während ich mit Morgen-Latte-Macchiato am Frühstückstisch sitze. Es ist der Mann von Hermes, er kennt mich schon. »Mein Gutster.« Vielleicht würde auch er gerne mit reinkommen, aber ich nehme nur Hadid in Empfang, habe nur Augen für Hadid. Schon stehen wir im Badezimmer, zwischen Styropor, expandiertem Polystyrol um genau zu sein, und vielen anderen Polys, die sich auf der Reise in meine Wohnung an Hadid geschmiegt haben. Ich öffne den Knoten meiner Jogginghose und lasse sie langsam meine Beine hinabgleiten. Streife meine Socken ab. Ziehe meinen fusseligen Pulli aus, mein T-Shirt. In dem Moment, da ich es mir über den Kopf ziehe, rieche ich kurz meinen Körper, seifig warm. Zuletzt steige ich aus meiner Unterhose. Sie hat ein Loch, direkt zwischen den Beinen. Ich bin meine fusselige Hülle los und frage mich, warum nicht einfach alles immer neu und schön bleiben kann. Meine Zähne tun weh. Irgendwann werden auch sie Löcher bekommen, und ich werde Prothesen brauchen, Brücken und Goldzähne. Bis dahin werde ich reich sein, bitte, und die Mangelware freudig aus meinem Mund fräsen und durch neues Material ersetzen lassen. Ich greife nach den Wollprodukten auf dem Badezimmerboden, hebe den Deckel an, der Geruch von Rattan steigt mir in die Nase. Hoffentlich. Beim Anheben des Deckels knistert das Material verheißungsvoll. Bestimmt. Ich lege die Kleidungsstücke in den Wäschekorb. Ich schließe den Deckel. Es knistert.

Ein Knoten wird sich in mir lösen. Wie schön. Zwischen meinen Schneidezähnen und der Unterlippe finde ich noch etwas Nudossi, während ich den Kaufvertrag abschließe.


*
Dominik Puhl (*1992)

versucht seit einigen Jahren, das deutsche Stadttheater queer zu unterwandern, und schreibt nebenbei die Teebeutelsprüche für Yogi-Tea. Und natürlich Produktbewertungen.

@die_puhlschaft



Dominik Puhl (*1992)

versucht seit einigen Jahren, das deutsche Stadttheater queer zu unterwandern, und schreibt nebenbei die Teebeutelsprüche für Yogi-Tea. Und natürlich Produktbewertungen.

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