COPE
… It’s got to hurt a little bit
von Fabian Hischmann

Seit Beginn der ganzen C-Sache geht es mir oft beschissen. Das sind keine Breaking News, war schon vorher so. Auf die Beschissenheit im Allgemeinen möchte ich gar nicht weiter eingehen. Zumindest nicht auf meine eigene. Aus der Ich-Perspektive schreibe ich trotzdem, weil das nun mal am besten für mich funktioniert, und ich will hier ja auch nichts Allgemeingültiges behaupten, sondern Euch ein Buch empfehlen.

Aber Obacht: Es ist ein todtrauriges und sehr langes Stück Text, von dem der Titel, Die Optimisten (im Original: The Great Believers), eher das Gegenteil erwarten lässt. Trotzdem habe ich am Ende nicht fieser Trick gerufen, sondern geweint und denke bis heute an die Figuren.

Die meisten von ihnen sind an AIDS gestorben. Davor leben sie in Chicago, in Boystown. Anfang/Mitte der 1980er treffen sie dort aufeinander und bauen sich, ganz ohne Internet, ein verbindliches, soziales Netzwerk auf. Sie, das sind Hauptfigur Yale und seine Freund*innen. Einige von ihnen nicht mehr ganz jung, aber alle noch motiviert und erwartungsvoll. Und sie sind queer, was damals auch in den Metropolen dieser Welt Hass, Ausgrenzung und ständigen Kampf bedeutet. Gegen ein diskriminierendes System mit unfähigen weißen Männern an der Spitze, die nichts gegen das Sterben unternehmen wollen –

Alles wie heute also. Zum Kotzen.

Beim Lesen musste ich viele Pausen einlegen, weil es mich einfach zu fertig gemacht hat. Ich bin dann alleine rumspaziert, habe meine Schritte gezählt oder ein paar Steine ins Kanalwasser geworfen. Das gefällt mir am Lesen besser als an Kinofilmen, die ich mir meistens zu zweit anschaue, dass ich in den Pausen oder danach einfach schweigen kann. Manche Kritiker*innen vergleichen Die Optimisten, die Geschichte die es erzählt, mit der jetzigen Pandemie-Situation. Zum Glück, aber das ist eigentlich kein gutes Wort in dem Zusammenhang, kann Covid-19 nicht zum Stigma einer einzigen Community verklärt werden. Versuchen werden irgendwelche Arschlöcher es irgendwann womöglich schon, aber das Narrativ wird nicht tragen. Da bin ich, auch wenn es mir zunehmend schwerfällt, einfach mal optimistisch. Rebecca Makkais Buch handelt in erster Linie von Freundschaft in Zeiten der Krankheit, von Solidarität bis in den Tod und darüber hinaus. Daneben spielt die Kunst der École de Paris eine wichtige Rolle, was mich ehrlich gesagt aber eher genervt und aus der Emotion geixt hat.

So, mehr Meinung und Synopsis spare ich mir und euch. Ich hasse es, wenn Rezensionen im Feuilleton alles verraten oder so tun als wären sie viel schlauer als der besprochene Text selbst. Die Optimisten ist kein Text für zwischendurch, und ich sage nicht, dass ihr ihn unbedingt lesen müsst. Solche Aussagen hasse ich nämlich auch.

Wenn ihr euch drauf einlassen wollt, erwarten euch 600 Seiten Leid, Ungerechtigkeit und kein Spielberg-Happy-End. Eins noch: Yale mag New Order. Die mag ich auch. Immer noch mit die beste Musik, wenn alles total beschissen ist.


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Rebecca Makkai: The Great Believers
Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell
Eisele Verlag, München 2020
624 Seiten
24 €


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Fabian Hischmann

lebt in Berlin-Kreuzberg. Ist Autor von zwei Romanen und einem Erzählband. Schließt gerade sein Zweitstudium in Sozialer Arbeit ab und hofft auf eine Kanada-Reise in Post-Pandemiezeiten.

www.fabianhischmann.de



Fabian Hischmann

lebt in Berlin-Kreuzberg. Ist Autor von zwei Romanen und einem Erzählband. Schließt gerade sein Zweitstudium in Sozialer Arbeit ab und hofft auf eine Kanada-Reise in Post-Pandemiezeiten.

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